FORUM MAGAZIN: Yoga Serie 2/6
Teil 2: Haltung zeigen
Studien belegen: Yoga wirkt. Besonders beim Volksleiden Rücken sind die Ergebnisse eindeutig. Eine wöchentliche Yogapraxis hilft mindestens so gut wie konventionelle Behandlungen. Ziel ist es, die Wirbelsäule flexibel zu halten – und damit den Geist. Erfahre Yoga Übende wissen, das ist nicht immer einfach. Die innere Haltung bestimmt die Wirkung.
Zum Original Beitrag im FORUM (21/2020)
Das Leben kann uns beuteln. Vergangene Probleme lasten auf unseren Schultern und ständig gibt es neue Konfrontationen. Manchmal fehlt uns das Rückgrat, um uns wieder auf zu richten. Als wäre das Leben nicht anstrengend genug, muss der Mensch auch noch den physikalischen Gesetzen trotzen. Die Schwerkraft zieht den Körper im Laufe eines Lebens immer weiter zum Boden. Die Bandscheiben verlieren ihre Feuchtigkeit und die Beweglichkeit der Wirbelsäule geht verloren. Alle Körper erfahren diese Veränderungen, die Schwerkraft diskriminiert niemanden.
Im Yoga heißt es, ein Mensch ist so alt wie seine Wirbelsäule. Kann er sich nicht aufrichten, wirkt er alt. Auch junge Menschen kennen das Gefühl, vom Leben gebeutelt zu sein. Obwohl ihre Bandscheiben noch gut genährt sind und sie einseitige Bewegungsmuster besser kompensieren, fällt ihnen die Aufrichtung schwer. Unsere Körperhaltung hat einen großen Einfluss auf unser emotionales Wohlbefinden, unser Denken und unsere Ausstrahlung. Sie ist ein Spiegel unseres Inneren. Sie können an Ihrer Körperhaltung erkennen, wie Sie sich innerlich fühlen.
Um diesen Zusammenhang besser zu verstehen, machen Sie dieses kleine Experiment: Runden Sie jetzt ihre Wirbelsäule, sacken Sie zusammen, Schultern und Kopf hängen schlaff nach vorne. Sagen Sie sich nun möglichst glaubhaft: „Ich bin voller Lebensfreude. Ich begegne den Herausforderungen des Lebens mutig und zuversichtlich. Ich erkenne meine wahre Größe.“
Schwierig, nicht wahr? Richten Sie sich nun bewusst nach oben auf, indem Sie die Sitzbeinknochen nach hinten schieben, heben Sie den Brustkorb nach vorne, die Schlüsselbeine weiter Richtung Kinn und die Schultern lassen Sie nach unten sinken. Wiederholen Sie diese Sätze. Fühlen Sie sich anders, größer, besser?
Eine aufrechte Haltung einzunehmen, ist alles andere als selbstverständlich. Viele Menschen sind sich ihrer ungesunden Haltung gar nicht bewusst. Andere haben in ihrem Bewegungsapparat so viele Dysbalancen, dass der Aufrichtung Grenzen gesetzt sind. Über 400 Skelettmuskeln bilden den aktiven Teil unseres Bewegungsapparats, der den Körper gegen die Schwerkraft aufrecht hält. Die Rumpfmuskeln (Rücken und Bauch) brauchen Kraft, sollten aber auch elastisch und dehnbar sein. Laut Techniker Krankenkasse sind 80 % aller Deutschen sind in ihrem Leben von Rückenproblemen betroffen. Viele dieser Leiden sind chronisch und unspezifisch, das heißt es lassen sich keine klaren Ursachen finden.
Langsamer ist besser, weniger ist mehr
Das moderne Leben eines Erwachsenen verläuft meist in schnellem Takt und einseitigen Bahnen. Einseitige Bewegungsmuster mag der Körper nicht, wir werden unflexibel. Stress verspannt die zu schwache Muskulatur zusätzlich. Zum Glück erkennen wir zunehmend, dass bei chronischen Beschwerden nicht zwischen Körper und Geist getrennt werden kann. Das führt zu einem steigenden Interesse an Entspannung und Achtsamkeit.
Die Hinwendung zum eigenen Körper kann Wunderbares bewirken. Je besser Sie Ihren Körper wahrnehmen, desto leichter fällt es, seine Bedürfnisse zu erkennen und desto gesünder können Sie ihn bewegen. Viele Yoga Positionen vermitteln den Eindruck, man müsse jung, sportlich und gelenkig sein. Der Mensch neigt dazu, jedem Trend nachzueifern und andere zu kopieren. Auch das ist eine Form von fehlender (mentaler) Flexibilität. Gerade in der Yoga Praxis gilt: Sanfte Impulse reichen. Langsamer ist besser. Und weniger ist mehr. Im Alltag können Sie mit nur kleinen Bewegungsimpulsen starre Gewohnheiten durchbrechen. Wechseln Sie zum Beispiel öfters mal die Sitzhaltung. Kennen Sie die gesündeste Sitzposition? Es ist immer die nächste.
Wenn sich Ihre Wirbelsäule der Länge nach aufrichtet, kann die Lebensenergie, prana, frei durch sie hindurchfließen. Prana ist Sanskrit und bedeutet „Atem, Seele, Energie“. Prana fließt nicht gern um Ecken, sondern mag aufgerichtete Körper – Gelenk über Gelenk. Dann haben wir die nötige Freiheit im Kopf, auf die Veränderungen des Lebens angemessen zu reagieren und selbstbestimmt zu handeln.
„Nichts ist beständiger als der Wandel.“ Charles Darwin war sicherlich kein Yogi, doch das Leben gibt ihm Recht. Wir können die Gesetze der Natur nicht verändern, aber wir können lernen sie zu akzeptieren. Und wir können uns selbst ein bisschen austricksen – mit unserer Körperhaltung zum Beispiel. Statt uns als Opfer der Umstände zu sehen, können wir uns mithilfe von Yoga an unsere Schöpferkraft erinnern. Schöpferkraft? Das bedeutet: Sie haben die Wahl, wie Sie mit den Herausforderungen des Lebens umgehen. Zeigen Sie Haltung.
Übung 1: Aufrechter Sitz „sukhasana“ (mind. 1 Minute oder länger)
Der einfache Sitz ist am Anfang gar nicht so einfach, wie er aussieht. Ihn zu üben, lohnt sich aber. Er stärkt Rücken- und Bauchmuskeln und verbessert die Körperhaltung. Die Haltung beruhigt den Geist und unterstützt eine gleichmäßige Atmung.
Setzen Sie sich leicht erhöht, das hilft dem unteren Rücken lang zu bleiben. Schieben Sie aktiv die Sitzbeinknochen nach hinten und unten. Heben Sie Ihr Brustbein und lassen Sie die Schultern nach hinten, unten und außen sinken. Achten Sie darauf, dass der Kopf entspannt auf der Wirbelsäule sitzt. Sie sollten weder nach vorne noch zurück kippen, sondern in Ihrer Mitte ankommen. Beobachten Sie Ihre Gedanken und begleiten Sie den Atem.
Übung 2: Katze – Kuh „Majariasana“ (mind. 10 Wiederholungen)
Diese Übungsabfolge mobilisiert die Wirbelsäule und hilft bei Verspannungen im Rücken.
Kommen Sie in den Vierfußstand: Hände (Finger aufgefächert) unter die Schultergelenke, Knie unter die Hüfte (evtl. polstern). In der Einatmung heben Sie das Brustbein nach vorne, ziehen die Schulterblätter zusammen und heben den Blick leicht nach oben. Der Nabel zieht sanft nach innen. Sie strecken Ihre Wirbelsäule lang (Kuh). In der Ausatmung runden Sie den Rücken zu einem Katzenbuckel. Sie weiten die Schulterblätter, ziehen das Kinn zur Brust und das Steißbein tief. Sie wollen dabei jeden Wirbel einzeln bewegen. Atmung und Bewegung bringen Sie synchron zusammen.
Übung 3: Der herabschauende Hund „Adho Mukha Shavasana“ (circa 1 Minute halten oder mehrmals üben)
Der Klassiker aller Yoga Übungen dehnt die Körperrückseite. Der Fokus liegt dabei auf der Streckung des Rückens (es geht nicht darum, die Füße zum Boden zu bringen). Der Hund stärkt die Arme und wirkt wohltuend bei Rückenschmerzen.
Vom Vierfußstand heben Sie das Becken schräg nach hinten und oben. Die Beine nur so weit strecken, wie der untere Rücken lang bleibt. Die Hände schieben kräftig nach unten, auch die Fingergrundgelenke. Diese Kraft überträgt sich in die gestreckte Arme, die Oberarme rotieren dabei nach außen. Der Kopf hängt entspannt zwischen den Armen.
Tipps
Zu Beginn können Sie sich einige Male im Vierfußstand ganz frei, spielerisch und intuitiv räkeln, sodass die Wirbelsäule in alle Richtungen bewegt wird (ohne Bild). Vertrauen Sie der Intelligenz Ihres Körpers. Abschließend können Sie in der Kindeshaltung nachspüren und entspannen (siehe Teil 1).