FORUM MAGAZIN: Yoga Serie 4/6

Teil 4: Yogische Drehungen

Im Frühling, wenn sich die Natur erneuert, beginnen die Menschen alle Jahre wieder ihre Wohnungen und Häuser zu putzen – dieses Jahr womöglich besonders gründlich. Aber wie steht es um den inneren Frühjahrsputz? Mit diesen Yoga Übungen helfen Sie ihrem Körper beim Entgiften und Erneuern –und Ihren Geist rein zu halten. 

Zum Original Beitrag im FORUM (25/2020)

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Einmal im Jahr die Wohnung zu putzen reicht leider nicht, um sie sauber zu halten. Auch wenn wir uns das beim jährlichen Frühjahrsputz wünschen, ist klar: Das Glänzen der Oberflächen ist nur temporär und die Ordnung in der hintersten Schublade hält nicht ewig. Ebenso selbstverständlich ist, dass wir jeden Tag die Zähne putzen und duschen. Nur in Sachen geistiger Hygiene sind wird seltsam beratungsresistent. 

Zugegeben, allein die Formulierung „geistige Hygiene“ klingt ungewohnt. Anders in der Yoga Philosophie: Dort gibt es ein Grundprinzip für den Umgang mit sich selbst, eine Art Verhaltensempfehlung: „Saucha“ –Reinheit, Reinlichkeit oder Sauberkeit. Ein Aspekt dieser Disziplin ist die körperliche Hygiene. Die alten Yogis haben verschiedene Reinigungstechniken, sogenannte „Kriyas“, angewandt, um den Körper zu entlasten und zu entgiften. Doch der Grundsatz geht weit darüber hinaus. Ein wesentlicher Aspekt ist die Reinheit des Geistes. Das bedeutet die Gedanken rein zu halten – frei von Gewalt, Vorurteilen, Bewertungen, Angst und Zweifeln. Mit der Tugend von Reinheit lässt sich wunderbar verdeutlichen, dass die Yoga Lehre eine Lebenskunst mit zeitgenössischer Relevanz ist. Ist nicht gerade Hygiene das Gebot der Stunde? 

Was können wir neben regelmäßigem Händewaschen tun, um uns „rein“ zu halten? Da wäre einerseits eine Vielzahl von Körperübungen, die entlastend und entgiftend wirken. Zum Beispiel Drehungen, für die Sie eine einfache Anleitung in diesem Beitrag finden. Drehübungen halten die Gelenke der Wirbelsäule geschmeidig und nähren Bänder und Bandscheiben. Die Rotation der Wirbelsäule befreit außerdem die Atmung und massiert die Organe des Bauchraums. Auf diese Weise wird die Verdauung angeregt und Giftstoffe können vermehrt ausgeschieden werden. Auf emotionaler Ebene fühlt sich das an, als würden wir die Organe „auswringen“ wie ein nasses Handtuch und damit sämtliche alten Emotionen, die uns belasten. 

 Yoga-Lehre als Lebenskunst

Sie könnten sich außerdem an der frischen Luft bewegen, viel Wasser trinken, einen Fastentag einlegen oder ungesunde Trinkgewohnten ändern. Doch Vorsicht: Schnell halten wir solche Tipps für allgemeingültig. Statt Regeln anderer zu folgen, fragen Sie sich selbst: Was passt in meinen Alltag? Womit fühle ich mich wohl? Yoga ermutigt Sie, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu entscheiden und zum Experten Ihrer selbst zu werden. 

Der Körper ist ein sich selbst reinigendes System ist, bestehend aus Billionen von Zellen, die sich selbst erneuern und ständig miteinander kommunizieren. Doch wir geben dem Körper nicht ausreichend Zeit und Ruhe dazu. Wir überlasten ihn und hindern damit seine perfekte Funktionsweise. 

Dazu eine kleine Geschichte: Ein Professor wanderte weit in die Berge, um einen berühmten Zen-Mönch zu besuchen. Als der Professor ihn gefunden hatte, stellte er sich höflich vor, nannte alle seine akademischen Titel und bat um Belehrung. „Möchten Sie Tee?“, fragte der Mönch. Ja, gern, sagte der Professor. Der alte Mönch schenkte Tee ein. Die Tasse war voll, aber der Mönch schenkte weiter ein, bis der Tee überfloss und über den Tisch auf den Boden floss. „Genug!“, rief der Professor. Sehen Sie nicht, dass die Tasse schon voll ist? Es geht nichts mehr hinein. Der Mönch antwortete: Genau wie diese Tasse ist Ihr Geist. 

Geistige Hygiene ist also eine Frage, was und wieviel Sie an Information in sich hineinschütten. Gerade in diesen Tagen konsumieren wir Nachrichten aller Art und entscheiden nicht immer bedacht, welche Post rein darf. Jede Meldung in den Sozialen Kanälen, jede Werbung und jede Schlagzeile hinterlässt einen Abdruck. Unser Unterbewusstsein arbeitet 24 Stunden und registriert alles, ohne dass wir es merken. So manche Information mag an unserem Weltbild rütteln und unser Urvertrauen angreifen. Hinzu kommen unausgesprochene Worte in Beziehungen, ungelöste Konflikte und unangenehme Gespräche. Solche mentalen Verunreinigungen wirken subtil, wir sind in Aufruhr, ohne dass wir den Grund kennen. 

 Regelmäßigkeit ist wichtig

Das Leben bringt allerlei schwierige Erlebnisse und schmerzhafte Erfahrungen. Genau aus diesem Grund empfiehlt die Yoga Lehre ein tägliches Reinigungsritual. Wenn wir nicht warten, bis die Staubschicht auf dem Schrank zentimeterhoch ist, besteht kein Grund zur Sorge. Unseren Körper waschen wir schließlich auch täglich. Die Frage ist also nicht, welche schlimmen Ereignisse in unserem Leben passieren, wer Recht oder Unrecht hat, sondern wie wir darauf reagieren. 

Menschen finden im Laufe der Zeit ihre eigenen Reinigungstechniken, um sich körperlich und innerlich frisch zu halten – oder Ablenkungsmanöver. Egal, welche Reinigungstechnik Sie anwenden, das Wichtigste ist eine gewisse Regelmäßigkeit. Die herrliche Ironie bei den yogischen Drehübungen: Je mehr wir uns verknoten, desto leichter lösen sich innere angestaute Spannungen. Aber bitte überfordern Sie sich nicht. 


Übung 1: Der Drehsitz „Ardha Matsyendrasanai“ (jede Seite circa 1 Minute)

Der Klassiker der Drehungen wirkt belebend. Die Übung löst Verspannungen in der Rücken- und Schultermuskulatur und wirkt befreiend auf den Brustbereich. Die Verdauungsorgane werden massiert. Innerlich sorgt sie für ein Gefühl von Ruhe und Klarheit. Sie kann helfen, aufgestaute Emotionen zu lösen. 

Sie sitzen mit aufrechter Wirbelsäule und strecken das rechte Bein nach vorne aus. Das linke Bein ziehen Sie angewinkelt an sich heran, dabei befindet sich der linke Fuß an der Außenseite des gestreckten Beins. Mit der Einatmung heben Sie den rechten Arm, mit der Ausatmung platzieren Sie die rechte Hand schräg hinter ihnen. Sie drehen aus der Brustwirbelsäule nach rechts und halten dabei das Bein kompakt an der Brust. Kopf und Blick gehen nur so weit mit, wie es Ihre Halswirbelsäule mag. Jede weitere Einatmung erneut die Aufrichtung, jede Ausatmung vertieft die Drehung. Circa 8 – 10 Atemzüge oder 1 Minute halten. Dann Seitenwechsel.  

Übung 2: Die liegende Drehung oder das Krokodil „Nakrasana“ (jede Seite bis zu 5 Minuten) 

Die liegende Drehung wirkt ebenso entgiftend, aber gleichzeitig herrlich beruhigend. Sie ist perfekt für Einsteiger geeignet und hilft Körper und Geist, sich auf die Entspannung vorzubereiten.  

Sie liegen auf dem Rücken und strecken die Arme seitlich auf Schulterhöhe aus. Sie stellen die Füße auf und versetzen das Becken einige Zentimeter nach links. Sie atmen bequem ein und lassen mit der Ausatmung die Beine nach rechts sinken – wie ein Scheibenwischer. Die linke Schulter sollte am Boden bleiben. Mit der Position Ihrer Beine können Sie spielen: Spüren Sie, was sich bequem anfühlt. Stützen Sie ggf. Ihre Knie mit einem Kissen. Wenn sich das gut anfühlt, können Sie die den Kopf nach links drehen. Die Atmung vertieft die Drehung. Wiederholen Sie die Übung zur anderen Seite. 

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Tipps

·       Zum Aufwärmen mobilisieren Sie Ihre Wirbelsäule mit der „Katze-Kuh“-Übung (siehe Teil 2). 

·      Zum Abschluss gönnen Sie sich eine erfrischende Entspannung (siehe Teil 1). Dieses Nichts-Tun in Verbindung mit einer ruhigen Atmung wirkt wie eine reinigende Dusche für Ihren Geist

Sinah Müller